Praxis für Sprachtherapie Sylvia Klein

Bedingungen für eine normale Sprachentwicklung und Ursachen für Sprachstörungen

Sprachentwicklung und Sprachförderung
Der Sprachbaum
Sprachbaum
Faktoren, die für eine gute Sprachentwicklung wichtig sind:
Damit das Kind Sprache entwickeln kann, muß es ab der Geburt normale neuromotorische, sensorische und mentale Strukturen besitzen, die es während seiner gesamten Entwicklung behält.

1. Auditive Faktoren

Ein gutes Gehör ist für die Aufnahme gesprochener Sprache unentbehrlich. Bleibt die Lallphase und die spätere Sprachentwicklung aus muss dem Verdacht einer Hörbeeinträchtigung nachgegangen werden. Dazu gehören aber auch pathologische Erkrankungen des Mittelohres (Ergüsse und Entzündungen etc.), die eine Hörminderung nach sich ziehen und die Sprachentwicklung beeinträchtigen.

2. Morphologische Faktoren

Ebenso ist eine morphologische und funktionelle Intaktheit im orofazialen Bereich unentbehrlich für eine gute Entwicklung der Sprache und des Sprechens: ein geschwächtes Velum (Gaumensegel) mit oder ohne Gaumenspalte, ein gespaltenes Zäpfchen, eine Schlaffheit der Mundmuskulatur können eine Entwicklungsretardierung der Artikulationsbewegungen und eine veränderte Qualität der Stimme bewirken.

3. Visuelle Faktoren

Für den Erwerb einer guten Kommunikationsfähigkeit ist gutes Sehen unentbehrlich. Der gegenseitige Blickkontakt löst die Kommunikation aus und hält sie aufrecht. Die Gestik und Mimik begleiten natürlich die Sprache.

4. Neurologische und kognitive Faktoren

Eine neurologische Intaktheit und ausreichende intellektuelle Fähigkeiten sind eng miteinander verbunden. Man wird zum Beispiel motorische Teilleistungsfähigkeiten des Gehirns an praktischen Schwierigkeiten, Hirnleistungsschwächen an den Schwierigkeiten der Sprachgestaltung und kognitive Schwierigkeiten an Dyslexien und Dysphasien erkennen.

5. Faktoren, die an der Qualität der Eltern-Kind-Interaktion liegen

Das Kind kommuniziert bereits, bevor es sprechen kann (Mimik, Lächeln, Stimme, Weinen). Als Vorübung sozialer Funktionen der Sprache sind diese Fähigkeiten sehr wichtig. Bereits ab den ersten Lebenswochen behandelt die Mutter ihr Baby wie einen echten Gesprächspartner, welchem sie Kommunikationsabsichten zuschreibt.
Die Schreie, Vokalisierungen, Mimik und nonverbale Bewegungen werden von der Mutter als sinnhaft interpretiert. Für alle diese Verhaltensweisen ist die Mutter sehr empfänglich und sie antwortet verbal und/oder durch Mimik und Gestik darauf. Dieses bewirkt beim Baby die Verstärkung bestimmter Eigenschaften, die , von der Mutter aufgegriffen, eingesetzt werden in eine ´Konversation´, in welcher das Baby wechselweise die Phasen des Sprechens und des Hörens ausprobiert.
Seit den ersten Lebensmonaten vermehrt das Kind Wahrnehmungserfahrungen durch alles, was es sieht, hört, berührt, spürt und schmeckt. Indem die Eltern diese Erfahrungen kommentieren, helfen sie ihm, seine Umwelt, seine Beziehungen zu Personen, zu Gegenständen und Geschehnissen zu organisieren. In dem Maße, wie das Kind motorisch immer geschickter wird, nehmen neue interaktive und geistige Verhaltensweisen Platz. Unter den vom Baby geäußerten nonverbalen Verhaltensweisen erscheint das Zeigen ( mit dem Finger ) um den 9. Lebensmonat. Um den 12. Lebensmonat erhält dieses Verhalten eine sozial-kommunikative Funktion. Ab diesem Alter zeigt das Kind mit der Absicht, die Mutter auf bestimmte Elemente des Umfeldes aufmerksam zu machen. Diese antwortet, indem sie den vom Baby gezeigten Gegenstand oder das Ereignis nennt ( ´Ja, das ist ein Hund, was macht der Hund ?, Oh, er frißt, der Hund, er hat Hunger´ usw. ).
Dieses Geschehen, welches der Mutter und dem Kind erlaubt, ´auf der gleichen Wellenlänge´ zu sein, ist die Grundlage für jeden künftigen Dialog, denn damit dieser wirkungsvoll abläuft, müssen die beiden Gesprächspartner, um miteinander ´sprechen´ zu können, ihre Aufmerksamkeit auf einen gemeinsamen Gegenstand oder Geschehnis richten.
Im Laufe der Entwicklung ist das Kind in der Lage, seine sozialen Verhaltensweisen weitreichender mehr verfeinerter auf motorischer, beziehungsmäßiger und kognitiver Ebene auszuprobieren.
Die Anpassungsprozesse der Mutter an die Verhaltensweisen des Kindes, welche weitgehend unbewußt geschehen, erlauben somit eine fortschreitende Anpassung an alle Etappen der Entwicklung. Die Rolle der Mutter ist in diesem Stadium sehr wesentlich. Tatsächlich beruht die vorsprachliche Kommunikation auf ihrer Fähigkeit, sich vom Kind führen zu lassen. Dies stellt einen günstigen Rahmen der Sprachentwicklung dar, denn hier werden in einen bevorzugten Kontext von Dialog und Freude die ersten Lautäußerungen von der Mutter interpretiert und ihnen einen Sinn gegeben.
Diese frühen Interaktionen sind eine frühe Grundbedingung und eine Erfordernis für die Sprachentwicklung aber sie reichen nicht aus, das Kind zum Erwerb seines linguistischen Systems zu führen. Die Sprachentwicklung setzt die Intaktheit sensorischer und kognitiver Fähigkeiten voraus. Die ersten Wörter treten zwischen dem 12. und 18. Lebensmonat auf und nach 24 Monaten beginnen die Kinder in der Mehrzahl zwei Wörter zu kombinieren, um ihre ersten Sätze zu bilden.

Ein Großteil kindlicher Sprachstörungen sind unklarer Genese, d.h. es liegt kein organischer Befund vor. Zu den bekannten Risikofaktoren zählen:
  • Allgemeine Entwicklungsstörungen
  • Hörstörungen
  • Hirnreifestörungen
  • Familiäre Sprachschwäche mit Krankheitswert
  • Geistige, körperliche Behinderungen, Mehrfachbehinderungen
  • Genetisch bedingte Krankheiten/Syndrome (z.B. Down-Syndrom)
  • Schädel-Hirn-Traumata, entzündliche Hirnprozesse
  • Hirntumore, Hirnoperationen